Eine neue Klavierbauerin für Westfalen

Die dreieinhalbjährige Ausbildung, welche neben holz- und metallverarbeitenden Fertigkeiten ebenso feinmechanische und musiktheoretische Elemente enthält sowie als wichtigen Schwerpunkt auch das Klavierstimmen vermitteln soll, endete mit einer fünftägigen praktischen Prüfung. Dabei wurde ein Modell eines Klaviers gefertigt, das aus einer Oktave, also 13 Tasten, besteht, ansonsten aber alle Bauteile enthält, die auch das „große“ Klavier mit seinen 88 Tasten und über 10.000 Einzelteilen enthält. Außerdem wurden Arbeitsproben aus dem Reparaturbereich von Klavieren gefertigt und die Kenntnisse im Klavierstimmen überprüft.

Landesweit verlassen jährlich nur etwa 50 Klavier- und Cembalobauer/innen die Oscar-Walcker-Schule im süddeutschen Ludwigsburg mit bestandener Prüfung. Diese ist die einzige Berufsschule für diesen hochspezialisierten Beruf in Deutschland und sogar eine von nur wenigen Fachschulen weltweit.

Die 24-Jährige Marie Sulk ist die erste Frau, die im 1935 gegründeten Traditionsunternehmen ihre Ausbildung absolviert hat.

„In der Klavierbau Branche ist es längst keine Seltenheit mehr, dass Frauen sich für dieses Handwerk begeistern.“, meint Geschäftsführer und Klavierbaumeister Rudolf Micke. „Bei unserem Partner Steinway & Sons aus Hamburg, aber auch vielen anderen Herstellern von Klavieren und Flügeln, werden durchschnittlich 50 Prozent Frauen unter den Auszubildenden eingestellt. Da wir für eine qualitativ hochwertige Ausbildung nur die Kapazität für einen einzigen Auszubildenden haben, wählen wir grundsätzlich den oder die am besten geeignete Kandidat/in aus. Und Frau Sulk hat uns sofort mit ihrem handwerklichen Geschick, ihrem Talent und ihrer Begeisterung für den Beruf überzeugt.“

Auch Ausbilder und Klavierbaumeister Christoph Kollmann freut sich über die bestandene Prüfung seiner Kollegin. „Marie hat von Anfang an eine besondere Disziplin und eine Engelsgeduld an den Tag gelegt. Das sind vielleicht die wichtigsten Voraussetzungen um den Beruf zu erlernen. Schließlich muss sie jeden einzelnen Arbeitsgang, z.B. beim korrekten Einstellen der 7.000 Einzelteile der Klaviermechanik, mindestens 88 Mal machen. Für jede Taste einzeln. Und bei der 88. Taste muss sie sich noch ganz genauso auf ihre Arbeit konzentrieren wie bei der ersten. Zusammen mit ihrem Feingefühl und ihrem musikalischen Talent macht sie das zu einer hervorragenden Klavierbauerin. Das ganze Team ist stolz auf Marie und wir freuen uns auf die zukünftige Zusammenarbeit.“

Frau Sulk selbst ist glücklich, nach bestandener Prüfung nun ihre Stelle als Gesellin im Betrieb antreten zu können. „Ich habe mich schon zu meiner Ausbildung hier sehr wohl gefühlt und bin froh, übernommen worden zu sein. Der Klavierbau ist ein sehr vielseitiger Beruf, in dem ich nicht nur meine Liebe zur Musik mit meiner Leidenschaft fürs Handwerk verbinden kann, sondern auch ganz sicher bin, dass mir niemals langweilig wird. Ich weiß, selbst in 20 Jahren werden mich im Arbeitsalltag noch neue Herausforderungen und Überraschungen erwarten. So vielseitig wie der Beruf selbst sind auch die Leute, zu denen ich durch meine Arbeit Kontakt habe.Ob Kollegen oder Kunden, jeder hat seine ganz eigene Sicht auf die Instrumente, um die sich mein Beruf dreht und es ist schön, die Gelegenheit zu haben, diese verschiedenen Sichtweisen kennen zu lernen. Ich freue mich auf alles, was die Zukunft mir bringen mag.“